Zeigt her eure Zahnspange

„Zeigt her eure Zahnspange“
Immer mehr Erwachsene behandelt – Kasse zahlt (wenn überhaupt) nur bei Kindern

erschienen im
Kölner Express vom 24.05.2004

Köln – „mit 28 nochmal eine Klammer zu tragen, war nicht mein Taum.“ Sagt Alexandra Böer. Doch ihr ging es wie zigtausenden Erwachsenen. Schon in ihrer Jugend hatte sich die Kölnerin jahrelang mit einer Zahnspange gequält. Trotzdem haben sich die Frontzähne wieder übereinander geschoben. Besonders unschön für eine Opernsängerin…

Eineinhalb Jahre fühlte sich die junge Frau zurückkatapultiert in die Teenagerzeit. Jetzt ist sich das lästige festzementierte Drahtgestell los. Um erneutes Rückwandern zu verhindern, wird sie fortan nachts eine lose Zahnspange tragen. Damit sich die Investition in schöne Zahne länger lohnt.
Schon für Kinder ist eine Zahnspange nicht billig. Zwischen 1500 und 3000 € sind üblich. „Es können aber auch bis zu 5000 € sein“, weiß der Kölner Kieferorthopäde Dr. Werner Schupp. Erwachsene fangen bei 3000 € erst an und die Kassen zahlen die Zahnkorrektur nur bei schweren Schädel- und Kiefermissbildungen — also fast nie.

Bei Kindern kommt es auf den Grad der Fehlstellung an, eingeteilt in KIG-Ziffern ( = Kierferothopädische Indikationsgruppen).
Bei KIG 3,4 und 5 zahlt die Kasse komplett, KIG 1 und 2 müssen komplett die Eltern zahlen. “ Das trifft in 20 bis 30 Prozent der Fälle zu“, weiß Spezialist Schupp. Überlappen sich z.B. Zähne im zu engen Oberkiefer um weniger als 3 Millimeter, zahlt die Kasse keinen Cent. Obwohl auch dieser kleinere Fehlstand nicht gut aussieht. Versuchen, bei einem anderen Kieferorthopäden eine kostenübernahmefähige Einstufung zu erreichen, sind enge Grenzen gesetzt. Die schriftliche KIG-Mitteinlung muss „zeitnah“ gleichzeitig an Kasse, kassenzahnärztliche Vereinigung und den Betroffenen gehen. Der Ermessensspielraum für den einzelnen Kieferothopäden ist wegen der millimetergenauen Normwerte überaus gering. Der jetzige Tend zur Zahnspange im Erwachsenenalter (Dr. Schupp: „Menschen achten mehr auf Aussehen, Ästhetik.“) — großteils eine Altlast lückenhafter Kierferorthopädie früherer Jahre. Dr. Schupp: „Kein Kind wird heute nach Abnahme der eigentlichen Spange noch ohne Rückhaltespange oder -drähte nach Hause geschickt.“ Auf dass das Ergebnis länger hält — und die Kinder von heute keine zweite aufwendige Korrektur krummer Zähne im Erwachsenenalter mehr benötigen.

Was kann meine Klammer?

Lose Zahnspange:
Mit 1500 bis 2500 € vergleichsweise preiswert. Vorteil: Kann das Kieferwachstum steuern, z.B. den zurückliegenden Unterkiefer nach vorne bringen. Deshalb oft der Einstieg bei Kindern. Nachteil: Die losen Drahtschlingen erlauben keine präzise Korrektur einzelner schiefer Zähne.

Feste Zahnspange
(Multibracket-Apparatur, Labial-Technik): Kostet mindestens 3000 € Vorteil: Die am Zahn festgeklebten Metall- oder Keramikspangen (Brackets) können jeden einzelnen Zahn dreidimensional richten, vor-zurück, oben-unten, zu jeder Seite. Nachteil: Man hat immer Draht im Mund, muss damit essen, mit mehr Sorgfalt Zähne pflegen.

Unsichtbare Zahnspange (invisalign®):
Kosten: 3500 bis 5000 €. Vorteil: Die elastische Kunststoffschiene kann fast alles, was eine feste Zahnspange kann, ist aber unsichtbar, herausnehmbar zum Essen und Zähneputzen. Nachteil: Erfordert Tragedisziplin — wie jede lose Spange.

Fest Zahnspange, innen liegend
(Multibracket-Apparatur, Lingualtechnik): Teuerste Lösung, kostet 6000 bis 8000 €. Vorteil: Man sieht sie überhaupt nicht und kann jeden Zahn ganz exakt verstellen. Nachteil: behindert beim Sprechen.

Sieglinde Neumann © 2004 Kölner Express